Schatzkammer Antarktis

Schatzkammer Antarktis
Eisschmelze weckt Begierden. Gold, Öl, Uran – diese und andere Rohstoffe liegen seit Jahrmillionen sicher unter dem kilometerdicken Eis der Antarktis verborgen. Nun bedroht der menschengemachte Klimawandel die Region – und weckt Begehrlichkeiten, die den Einfluss des Menschen noch verheerender machen könnten. Dem Ökosystem Antarktis droht eine zerstörerische Spirale menschlicher Einflüsse. Der Antarktisvertrag stehe unter immensem Druck, warnen internationale Forscher. Von vielen Entscheidungsträgern werde die Bedrohung zwar erkannt, an raschen Reaktionen mangele es aber, heisst es in „Science“. Der 1961 in Kraft getretene Antarktisvertrag legt als internationale Übereinkunft fest, dass die unbewohnte Antarktis zwischen 60 und 90 Grad südlicher Breite vor allem der wissenschaftlichen Forschung vorbehalten bleibt. Zunächst zwölf Staaten – darunter Grossbritannien, das heutige Russland und die USA – erklärten, keine Ansprüche auf das „dauerhaft nichtaneignungsfähige Nichtstaatsgebiet“ zu haben oder sie zumindest ruhen zu lassen. Deutschland unterzeichnete den Antarktisvertrag im Februar 1979. Sieben Länder – Argentinien, Australien, Chile, Frankreich, Neuseeland, Norwegen und Grossbritannien – erheben zum Teil übergreifende Hoheitsansprüche auf Teilgebiete der Antarktis, die laut Vertrag aber ruhen. Militär soll es demnach auf dem Eis nicht geben – ebenso wenig wie den Abbau von Bodenschätzen: Lange waren die schon früh vermuteten gewaltigen Rohstoffvorkommen der 13,2 Millionen Quadratkilometer umfassenden Fläche des Kontinents unter kilometerdickem Eis zuverlässig verschlossen – und das Interesse daran entsprechend gering.

Eis schwindet langsam
Doch das Eis schwindet, wenngleich sehr langsam. Eine im April in „Nature“ veröffentlichte Studie zeigte, dass veränderte Windströme über der Antarktis die Schmelze beschleunigen. Die vom Klimawandel beeinflussten Winde hätten Stärke und Richtungen der Meeresströmungen verändert, berichtete das Team um Hamish Pritchard vom British Antarctic Survey. Mögliche Folge: Das Schelfeis wird nicht nur von warmen Winden an der Oberfläche, sondern auch von warmen Meeresströmungen von der Unterseite her geschmolzen. Bei Schelfeis handelt es sich um grosse auf dem Meer schwimmende Eisplatten, die mit Gletschern auf dem Land verbunden sind. Kürzlich berichteten Wissenschaftler in „Nature“ zudem von Erkenntnissen zu einem bis zu 1500 Meter tiefen Graben unter dem Ferrigno-Gletscher. Er reiche bis zur Küste und sei dort mit dem sich erwärmenden Ozean verbunden, schrieb das Team um David Vaughan vom British Antarctic Survey in Cambridge. Die Formation sei ein möglicher Grund dafür, dass in der Region mehr Eis schmelze als in anderen Gebieten der Antarktis. Momentan seien die grössten Gefahren für Arten und Ökosystem die Konsequenzen aus dem Klimawandel, der Versauerung des Meerwassers sowie dem veränderten Eis-Wasser-Verhältnis, schreiben die Wissenschaftler um Steven Chown von der Monash Universität in Melbourne in „Science“. Zudem drohe das Einwandern fremder Arten – mit kaum abschätzbaren Folgen. Touristen und Wissenschaftler schleppen schon jetzt Samen von Pflanzen aus anderen Regionen der Welt ein, berichtete im März ein Forscherteam in den „Proceedings“ der US-Akademie der Wissenschaften. So habe sich in einem Gebiet im oft besuchten Westen der Antarktis bereits das Einjährige Rispengras angesiedelt. Es werde vielfach unterschätzt, wie schnell die Veränderungen abliefen, wird Chown in einer Mitteilung zur Studie zitiert. Künftig könnten menschliche Aktivitäten in der Region wie die Ausbeutung antarktischer Bodenschätze wie Erdöl, Uran und Gold diese Gefahren noch bei weitem übertreffen, warnen die Forscher. Das Problem: Mit dem menschengemachten Klimawandel schwindet das Eis – und ehemals unerreichbare Ressourcen werden in absehbarer Zeit nutzbar.

Gerangel hat begonnen
Das Gerangel der Staaten um die Bodenschätze hat längst begonnen, dem Antarktisvertrag droht Ungemach. Zum einen seien Länder außerhalb des Abkommens nicht an die Regelungen gebunden, zum anderen könnten die Vertragsstaaten mehrheitlich neue Bestimmungen durchsetzen, schreiben die Wissenschaftler. Erste Bekundungen, eine Region zur Ausbeutung beanspruchen zu wollen, gebe es bereits. Der technische Fortschritt bei der Erdöl-, Gas- und Bodenschatzförderung in schwer zugänglichen Gebieten sei enorm. Massive Umweltverschmutzung könne die Folge solcher Vorhaben sein, warnt das Team. Allein in den vergangenen fünf Jahren habe es bereits mindestens zwölf Schiffsunglücke in der Region gegeben. Kritisch zu bewerten sei auch der zunehmende Antarktis-Tourismus, bei dem häufig Tierpopulationen gestört würden. Auch hier lasse sich noch wenig über die Auswirkungen sagen, da es an langfristigen Analysen fehle. Im Fachjournal „BMC Ecology“ hatten Forscher kürzlich berichtet, dass die Besuche für Königspinguine puren Stress bedeuten können. Vor allem Tiere, die nicht an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt seien, reagierten empfindlich selbst auf milde Störungen. Pinguine mit empfindlicherer Natur würden verdrängt, befürchten die Forscher. Das grösste Potenzial, effektiv für eine intakte Antarktis zu wirken, liege im Antarktisvertrag selbst, betonen die Forscher in „Science“. Die grösste Herausforderung werde dabei neben schnelleren Reaktionen sein, die Bedrohungen auszumachen, die zwar global auftreten, vor allem aber die um den Südpol gelegenen Land- und Meeresgebiete treffen. Wissenschaftler bezeichnen die Antarktis auch als „Antarktika“. Die Vereisung der Antarktis begann nach Angaben des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven vor etwa 15 Millionen Jahren. Das Eis ist kälter als jenes der Arktis. Seine Ausdehnung unterliegt starken jahreszeitlichen Schwankungen – sie reicht von rund 4 bis zu rund 20 Millionen Quadratkilometern. Im Sommer liegen die Temperaturen nach AWI-Angaben bei etwa minus 30, im Winter bei minus 60 Grad.

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